Josef

Ein Adventskalendertürchen nur über mich, den Josef? 

Wenn du meinst es gäbe sonderlich etwas über mich zu berichten, dann tu das. Aber eigentlich bin ich doch nur ein weihnachtlicher Nebendarsteller. Und im übrigen nicht gerade zu beneiden. 

Aber ob das heute noch jemanden interessiert?

Nein, ich bin wirklich nicht nachtragend, aber wenn jemals ein „Verein für Ungefragte“ gegründet werden sollte, kann ich gerne den Vorsitz übernehmen. Denn ich kenne mich bestens aus. 

Als ich noch jung war, dachte ich, man könne sein Leben planen und wenn man nur hartnäckig genug seine Ziele verfolgt, schafft man es. Dann könne man es überall hinbringen. 

Rumgekommen bin ich tatsächlich ziemlich viel, aber immer anders als ich dachte. Ich musste echt viel aushalten. An manchen Tagen dachte ich nur verzweifelt: Warum mutet Gott mir das alles zu?

Dabei begann alles so viel versprechend. Ich hatte mir als Zimmermann einen guten Ruf in Nazareth erarbeitet. Viele Aufträge, ein treuer Kundenstamm. Ich war bereit, mich zu binden. Und hatte auch schon ein Mädchen im Auge: 

Maria, ein ganz wundervolles Mädchen.

Sie und ihre Familie gingen auf mein Werben ein und Maria wurde bald darauf meine Verlobte. Sie war ein besonderes Mädchen, das hab ich gleich gemerkt. Wie besonders Maria  tatsächlich war, konnte ich damals nicht im entferntesten ahnen. Aber erstmal hat sie in mir etwas entfacht, das mich berührt hat. Wir haben viel geredet, auch über den Glauben. Völlig neue Gedanken kamen mir plötzlich in den Sinn, so kannte ich mich bisher gar nicht. Ich bin eigentlich eher der Typ, der gerne anpackt, nicht so der nachdenkliche Schwätzer. Aber mit Maria hat mir alles Freude gemacht, auch das Reden. Ich habe Maria richtig in mein Herz geschlossen und ich fing an, unsere gemeinsame Zukunft zu planen. 

Aber dann kam alles anders. 

Ein uneheliches Kind hat auch bei uns in Nazareth schon manche Pläne durchkreuzt, aber zu dem Kind, das Maria sozusagen von heute auf morgen in sich trug habe ich nichts beigetragen. Gar nichts. Glaub mir, ich hab mit Maria viel geredet und ein verstohlenes Küsschen war vielleicht auch schon mal drin. Aber mehr war nicht zwischen uns. 

Ich konnte es nicht fassen. Einerseits spürte ich sofort, dass Maria nicht lügt und mir Märchen erzählt. Aber wer, bitte schön, wer glaubt denn so etwas: „Das Kind, das sie erwartet, kommt vom Geist Gottes…“. 

Ein Engel hat es ihr mitgeteilt, oder war es doch nur ein Traum?

Der Ruf eines schwangeren unverheirateten Mädchens ist schnell zerstört und eine ungewollte Schwangerschaft reicht aus, um hier aus dem gesellschaftlichen Raster zu fallen.

Nein, ich habe es mir nicht leicht gemacht. Ich hätte die Verlobung auflösen können, jeder andere Mann in meinem Alter hätte mich verstanden und es wohl genau so gemacht.

Eine schlaflose Nacht lang lag ich auf meinem Bett und merkte richtig, wie mein Herz blutete. Maria kann ja alles viel besser ausdrücken als ich. Sie hätte gesagt: „Verstand ringt mit Liebe“. 

Genau so war es.

Am nächsten Morgen stand meine Entscheidung: Ich will zu Maria halten. Gegen allen Anschein Gott vertrauen. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf den Beistand des Ewigen zu hoffen. Ich wollte es glauben – der Engel hatte es schließlich versprochen!

Und natürlich fiel dann die Zeit der Entbindung ausgerechnet in die Diktatur der Volkszählung. Sagte ich es schon? Mich hat keiner gefragt. 

Den Rest der Geschichte kennt ihr. Ihr hört es ja jedes Jahr zu Weihnachten. 

Nur habt ihr inzwischen eher eine Kinderveranstaltung daraus gemacht. Denn immer wieder vergesst ihr dabei zu erwähnen, dass regelrechte Stürme um mich und Maria getobt haben. Und in mir drin. Die Reise nach Bethlehem war beschwerlich für meine hochschwangere Frau. Meine Angst war furchtbar, als die Wehen bei ihr einsetzten und ich keine Herberge für uns fand. Ich fühlte mich so hilflos, als Maria ein Lager in einem Stall herrichten musste. Ich konnte ihr nichts bieten: keine Sicherheit, keine Geborgenheit und kein bisschen Hygiene. Und dann fühlte ich mich total ohnmächtig, als ich meiner Frau, deren Leib mir noch so unbekannt war, bei der Geburt beistehen musste. Dann das armselige Bett für den Kleinen, für unseren Jesus: ein Futtertrog. Immer wieder musste ich an zu Hause denken, wo eine nagelneue Wiege bereit stand, die ich extra für das Kind mit eigenen Händen gebaut hatte. 

Und wenn wir schon über meine Gefühle sprechen: da war ganz viel Wut, Not und Anfechtung. Ich habe mich immer gefragt, was der Engel denn meinte mit seinem „Fürchte dich nicht“. Der Engel hatte mir ja mitgeteilt, dass wir den Sohn „Immanuel“ nennen sollen, das heißt übersetzt: „Gott mit uns.“ 

Wo war Gott bei alledem? 

Aber als ich all meine Zweifel hinter dem Stall in die dunkle Nacht herausgebrüllt habe, kamen Hirten über den Hügel und brachten das Licht der Engel zu uns in den Stall. Und später kamen noch die Weisen aus der Ferne und erzählten von dem neugeborenen König.

Eines abends, als etwas Ruhe bei uns einkehrte, hatten Maria und ich endlich wieder mal etwas Zeit zum Reden. Wir sprachen über die erstaunlichen Ereignisse der letzten Tage und erinnerten uns plötzlich an einen Vers vom alten Propheten Jeremia. Auf einmal war der Spruch da und an ihm konnten wir uns richtig wärmen und er trug uns auch noch die nächsten Wochen durch. Auch dann, als es hieß, wir müssen weiter nach Ägypten. Und mir war auf einmal auch klar, dass ich zwar anscheinend der bin, den niemand fragt, was er will. Aber dass der Ewige, unser Gott, weiß was er mit uns will. Er hat sowas wie einen Plan. Und das Ganze ergibt manchmal erst viele Jahre später einen Sinn. 

Wenn ich so zurück schaue, waren da ganz schön viele Glaubenszumutungen in meinem Leben. Aber auch ganz schön viel Licht. Und wir haben jetzt tatsächlich ganz schön viel über mich geredet. Aber danke. Echt nett von dir, dass du mich gefragt hast. 

Ach so, der Vers vom Jeremia. Ja, den kann ich dir noch sagen. Den vergesse ich mein Leben lang nicht mehr:

Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. (Jer. 29,11)

Möge Gott, unser Vater, auch dich heute mit Glauben und Vertrauen erfüllen.

Jesus Christus sei dein guter Begleiter.

Der Heilige Geist schenke dir Frieden und gebe dir eine Zukunft und eine starke Hoffnung.

Amen

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