Ruhe ist …

Seit gestern sind meine Kinder zum zweiten Mal in diesem Jahr zurück in der Schule. 

Voller Präsenzunterricht für alle Klassen. 

Morgens üben wir noch, wie Schule funktioniert:

Pünktlich aufstehen. 

Vorzeigbare Klamotten anziehen. 

Einen Stapel Brote schmieren. 

Eine gepackte Tasche über die Schultern hängen. 

Rechtzeitig zum Bus laufen. 

Ja.
Wir können nun wieder Fahrt aufnehmen. 

Unser altes, gewohntes Leben leben. 

Jetzt heißt es Anlauf nehmen und neu durchstarten. 

Termine machen, längerfristig planen. 

Beziehungen und Gemeinschaft wieder gestalten. 

Herz und Haus für den Nächsten öffnen. 

Doch ich merke, dass wir müde sind. 

Dass uns das Homeschooling zwar viel Nähe geschenkt, aber auch enorm viel Kraft und Nerven gekostet hat.

Dass wir uns im letzten Jahr sehr in unserem eigenen Kosmos bewegt und dennoch so viel an Atmosphäre, Nachrichten und Infos von außen aufgeschnappt und innerlich bewegt haben. 

Heute Morgen nehme ich einen tiefen Atemzug und sage mir: 

Es ist normal, dass jetzt noch nicht alles reibungslos funktioniert. 

Es ist normal, dass du schneller müde und erschöpft bist. 

Es ist normal, dass du dich noch mehr als sonst nach Ruhe sehnst. 

Ruhe. 

Sie liegt mir sehr am Herzen. 

Und deshalb verlangt mich oft so heftig nach ihr. 

Die Ruhe. 

Sie ist wirklich eines der letzten Abenteuer in dieser Welt.

Wer sie wagt, der wählt sie inzwischen bewusst.

Weil sie sonst im Alltag einfach untergeht.

Sie ist in ihrer Bedeutung und Beliebtheit sozusagen vom ersten auf den letzten Platz gerutscht.

Aber inzwischen weiß ich:

Es braucht manchmal nur fünf Minuten Ruhe um den ganzen Tag zu retten.

Ruhe ist ein Ort der Schaffenskraft und der Kreativität. 

Sie ist das Gewächshaus der Geduld und des Glaubens. 

Sie ist das Versteck der Liebe. 

Ruhe ist manchmal nur ein kurzer Augenblick. 

Sie ist die zehn Sekunden, in denen ich beim Spaziergang stehen bleibe und meinen Blick über die Weizenfelder streifen lasse. 

Sie ist die Urlaubswoche zu Hause oder weit weg.

Sie ist das Nickerchen mittags auf dem Sofa.

Sie ist die Joggingrunde.

Sie ist die paar Minuten, in denen ich am Schreibtisch die Augen schließe und an das weite Meer denke.

Sie ist der Moment in dem ich wahrnehme, was gerade da ist.

Ruhe ist, wenn noch genug Zeit bleibt, um im Garten zu buddeln oder mit dem Nachbarn ein Schwätzchen zu halten. 

Ruhe ist, wenn abends die Spülmaschine brummt und die Beine hochgelegt sind. 

Ruhe ist das Eintauchen in Gottes Gegenwart. 

Und das leise Gespräch mit dem Schöpfer. 

Ruhe ist der Abschied vom Anspruch, immer „nützlich“ sein zu müssen.  

Sie ist die Gelassenheit, nicht stets meine Gedanken und meine Meinung platzieren zu müssen. 

Oder jedes Foto in den Social Media zu posten. 

Ruhe ist eine Entscheidung. 

Ruhe beginnt manchmal mit dem Gefühl von Langeweile.

Oder mit dem Gefühl des Nichts-zu-tun-Habens.

Oft schwierig auszuhalten.

Wir sehnen uns nach Ruhe und scheuen sie zugleich.

Wir wünschen sie uns herbei und ist sie da, ist sie anstrengend und langweilig.

Ruhe macht unruhig. 

Sie stellt unangenehme Fragen: 

Hast du Angst, etwas zu verpassen?

Hast du Angst, nicht dabei zu sein?

Hast du Angst, an Bedeutung zu verlieren? 

Wer bist du, wenn du „nichts“ tust?

Doch du solltest dir erlauben, einfach mal nur herum zu sitzen.

Und den Stecker zu ziehen.

In Deckung zu gehen.

Ganz unnütz. 

Dabei die Ruhe annehmen.

Kräfte sammeln.

Dankbar sein, für das was jetzt gerade ist.

Sich freuen, dass man diesen Junitag erleben darf.

Atmen. 

Nah an Gott bleiben. 

Mit ihm reden. 

Und sich immer wieder klar machen:

Das ist nicht nur Ruhe.

Es ist der Beginn von etwas Neuem.

Vielleicht sogar von Anlauf nehmen. 

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
Matthäus 11,28

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